Wissenschaft & Forschung für Klang und Qualität

Veröffentlichungsmanuskript für die Reihe Aschberger Land angeregt und begonnen von Dirk Meinel, weitergeführt durch G. Ziegenhals

Das Institut für Musikinstrumentenbau Zwota

In der Gemeinde Zwota steht an der Bundesstraße 283 ein gut saniertes Gebäude. Eine Metalltafel weist darauf hin, daß sich im Haus das Institut für Musikinstrumentenbau – ifm – befindet. Es ist das ehemalige Gebäude der Harmonikafirma F. A. Glaß & Schmidt Sie stellte das »Riesenakkordeon« her, das heute als Attraktion im Musikinstrumentenmuseum der benachbarten Musikstadt Markneukirchen ausgestellt ist. Das Institut kann auf fast 50 Jahre seines Bestehens zurückblicken. Es beschäftigt sich bis heute mit angewandter Forschung vornehmlich für den Musikinstrumentbau.

Noch bis in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg basierten Weiterentwicklungen im Harmonikabau unserer Region in der Hauptsache auf Erfahrungswerten. Man war zunächst darauf bedacht, die Produktion durch den Einsatz von technischen Komponenten zu steigern. Die von der Klingenthaler Maschinenfabrik Julius Berthold & Co. konzipierte Tonzungenstanzmaschine löste das bis dahin angewandte Ausschneiden und Zurechtfeilen per Hand ab. Im Jahre 1954 wurde das Zentrale Konstruktions- und Entwicklungsbüro gegründet. Dieser später VEB Spezialmaschinenbau und dann VEB Rationalisierung genannte Betrieb übernahm nach dem Kriege die Aufgabe, mit selbstentwickelten Maschinen die technischen Voraussetzungen für die industrielle Musikinstrumentenproduktion zu schaffen.

Das Institut für Musikinstrumentenbau wurde im Jahre 1951, als Prüfdienststelle des Deutschen Amtes für Material- und Warenprüfung, in Markneukirchen gegründet. Die Gründung ist dem erheblichen Engagement eines führenden Musikinstrumentenakustikers der damaligen Zeit, des aus Markneukirchen stammenden Dr. Hermann Meinel, zu danken. Nach den Vorstellungen seines Gründers, einem gelernten Instrumentenmacher, sollte das Institut durch seine Tätigkeit eigene und fremde Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Musikalischen Akustik für den Musikinstrumentenbau im oberen Vogtland nutzbar machen.

Womit befaßt sich aber ein Institut für Musikinstrumentenbau, da doch der Musikinstrumentenbau traditionell handwerklich geprägt ist und von der Überlieferung lebt ? Gemäß dem Status einer Prüfstelle bestand die Aufgabe des IfM zunächst vorrangig in der objektiven Beurteilung von Musikinstrumenten. Um diese Aufgabe zu erfüllen, war es notwendig, Forschungen zum besseren Verständnis der Funktionsweise der Instrumente vorzunehmen sowie Verfahren und Vorrichtungen zu ersinnen, die Messungen von wesentlichen (vorrangig akustischen) Qualitätsmerkmalen der Instrumente erlauben. Als eines der ersten Ergebnisse entstand das noch heute von vielen Instrumentenherstellern genutzte "Elektrooptische Stimmgerät". Die objektive Bewertung und die damit verbundenen Forschungen waren seither und sind noch heute eines der wichtigsten Arbeitsgebiete des Institutes.

1959 erfolgte die Zuordnung des Institutes zur VVB Musik und Kulturwaren (später VEB Kombinat Musikinstrumente) als zentrale, industrienahe Forschungseinrichtung. Neben einem wesentlich intensivierten Rationalisierungsmittelbau kam die Forschungsrichtung Materialeinsatz mit dem Schwerpunkt Holzwerkstoffe sowie eine Elektronikentwicklungsabteilung hinzu. Es ist heute fast vergessen, dass die Grundlagen der ersten REGENT- Verstärkerserie, die Orgelreihen IONIKA 5 und 6 sowie MATADOR im IfM gelegt wurden. Das KLAVISET, ein elektromechanisches Instrument, bei dem Tonzungen angerissen und ihre Schwingungen elektrisch aufgenommen und verstärkt werden, entstand im IfM. Auch die Entwicklung der ersten E-Gitarren-Mischpulte gehörte zu den Aufgaben des IfM. Ende der 60er Jahre wechselte die Elektronikentwicklung nach Schöneck.

In der ersten Hälfte der 60er Jahre wurde das halbautomatische Stimmen von Akkordeonstimmplatten (HAS) entwickelt und bis 1966 30 Anlagen im Klingenthaler Harmonikawerk (KHW) installiert. Halbautomatisches Stimmen hieß, dass die Tonzungen automatisch gestimmt wurden, das Einlegen und Wenden der Stimmplatten jedoch manuell erfolgte.

In den 70er Jahren erweiterte man das Aufgabenfeld des IfM auf viele Bereiche der Kulturwarenindustrie bis hin zur industriellen Formgestaltung. Damit verbunden war ein Anwachsen der Belegschaft; eine weitere Abteilung für technische Applikationen wurde geschaffen. Ab 1972 arbeiteten die ersten im IfM entwickelten vollautomatischen Anlagen zum Stimmen von Akkordeontonzungen im KHW. Weitere Prüf- und Messgeräte wie z.B. Luftspalt- und Luftdurchlässigkeitsmessgeräte für den Akkordeonbau folgten. Die Mitarbeiter des Institutes kreierten ein neues Tintenleitsystem für Füllhalter. Ein High-Ligth dieser Zeit war zweifellos die wesentliche Mitgestaltung der RESONATA-Gitarrenserie. Theoretische Grundlagen für die Stimmungskorrektur von Blasinstrumenten wurden gelegt, die technische Holztrocknung im Musikinstrumentenbau eingeführt sowie Voraussetzungen für den Export von Musikinstrumenten in klimatisch problematische Regionen durch den Einsatz neuer Werk- und Hilfsstoffe geschaffen. In der Mitte dieses Jahrzehnts begann die gezielte Forschung auf dem Gebiet der Psychoakustik im Institut.

Die 80er Jahre ließen das IfM auf über 80 Mitarbeiter anwachsen, die in 10 Betreibsteilen neben Zwota, Klingenthal und Markneukirchen in Plauen, Halle, Leipzig und Berlin tätig waren. Eine spezielle Mikroelektronikabteilung kam hinzu. Das HAS-Verfahren kam nun auch für Mundharmonikastimmplatten zum Einsatz. Die Arbeiten zu E-Gitarren wurden fortgesetzt. Im Ergebnis standen neue Mischpultvarianten und eine breite Palette elektromagnetischer und piezoelektrischer Tonabnehmer. Die Wissenschaftler und Techniker befassten sich in diesen Jahren mit der Entwicklung von Musikspielwaren, der Verbesserung an Schlaginstrumenten, der reaktiven Bedampfung von Schmuckartikeln und natürlich immer wieder mit dem Werkstoff Holz und seinen speziellen, für den Musikinstrumentenbau bedeutsamen Eigenschaften. In Sachen elektronischer Tasteninstrumente ergab sich ein interessantes Zwischenspiel. 1988/89 entwickelte ein Team des IfM in Zusammenarbeit mit dem Rationalisierungsbetrieb und dem Klingenthaler Harmonikawerk ein Kleinkeyboard (32 Tasten, vierstimmig polyphon mit Rhythmusgerät) bis zur Serienreife. Eine Überführung in die Produktion erfolgte jedoch nicht mehr. Am Ende des Jahrzehnts konnten Automaten zum Legen von Tonzungen und Ventilieren von Stimmplatten übergeben und gemeinsam mit dem Klingenthaler Harmonikawerk das Roboterpolieren von Akkordeongehäusen in Betrieb genommen werden.

1990 wurde im Rahmen der Zergliederung des Forschungs- und Rationalisierungsbetriebes, dessen Bestandteil das IfM inzwischen geworden war, die Institut für Musikinstrumentenbau GmbH gegründet. Sie entsprach in Zusammensetzung, Größe und selbstgestellter Aufgabenstruktur etwa dem Institut Mitte der 70er Jahre. Nach drei Jahren Konzeptionssuche und Neuorientierung gründete sich 1993 der Vogtländische Förderverein für Musikinstrumentenbau und Innovation e.V. (VFMI), übernahm das IfM von der Treuhandanstalt und führt es als eigene, industrienahe Forschungseinrichtung auf den Gebieten Musikinstrumentenbau und Musikalischer Akustik weiter. Mit der Leitung des Institutes ist seither Gunter Ziegenhals betraut.

Heute arbeitet das Institut mit zehn Mitarbeitern schwerpunktmäßig an wissenschaftlichen und vorwettbewerblichen Projekten für den deutschen Musikinstrumentenbau, die maßgeblich vom Bundeswirtschaftsministerium über die Forschungsgemeinschaft Musikinstrumente gefördert werden. Gefördert durch gemeinsame Aktivitäten der entsprechenden Ministerien des Bundes und des Freistaates Sachsen wird somit eine infrastrukturell außerordentlich bedeutsame Forschungseinrichtung, in der in dieser Beziehung sehr schwach entwickelten Region des sächsischen Vogtlandes, gehalten.

Das Institut verfügt über modernste technische Ausrüstungen, die in Verbindung mit der kumulierten Erfahrung der wissenschaftlichen Mitarbeiter eine effektive Zusammenarbeit mit den Herstellern von Musikinstrumenten bei der Lösung von Problemen auf musikalisch-akustischem und technischem Gebiet sichern. Als Forschungseinrichtung ist das IfM im In- und Ausland bekannt und etabliert. Neben den traditionell guten Kontakten zur PTB in Braunschweig entwickelte sich in den zurückliegenden Jahren auch eine vorteilhafte Zusammenarbeit mit der UNI der Bundeswehr in München Neubiberg.

 

Bereits 1960 wurde im IfM ein reflexionsarmer Raum (Freifeldraum) installiert. Er ermöglicht akustische Messungen bei Ausschaltung des sonst stets vorhandenen Raumeinflusses. 1996 konnte dieser Messraum mit finanzieller Unterstützung des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit grundlegend rekonstruiert werden. Aber schon in den 50er Jahren waren die Wissenschaftler des IfM an bestimmten Tagen in der Lage, entsprechende "Freifeldmessungen" vorzunehmen. Frischer Pulverschnee besitzt ganz ähnliche Schallreflexionseigenschaften wie die komplizierte Auskleidung des Messraumes. Bei entsprechender Schneelage platzierten die Forscher die Instrumente im geöffneten Fenster, regten sie künstlich an und strahlten so den vom Instrument ausgehenden Schall ins Freie ab. Das Messmikrofon befand sich an einer kleinen Seilbahn vor dem Fenster. Da der schneebedeckte Boden kaum Schall reflektiert, konnte eine beachtliche Messgenauigkeit erzielt werden. Übrigens sind aus den gleichen Gründen Lärmmessungen bei schneebedecktem Untergrund nicht zulässig.

 

Die vorhandenen Kenntnisse werden aber auch in Nicht-Musikinstrumentenbau Bereichen eingesetzt. So bietet der VFMI e.V. mit seinem Institut Dienstleistungen auf dem Sektor Lärm/Lärmschutz und Schwingungsanalyse an. U.a. wurden bereits zahlreiche Lärmprognosen für die unterschiedlichsten Bauvorhaben im Raum Sachsen/Thüringen erstellt. Auf den Gebieten Raum- und Bauakustik sowie der Schall- und Schwingungstechnik ist eine moderne Ausrüstung und entsprechendes Know-how vorhanden. Da hier in vielen Branchen, insbesondere im Baugewerbe ein erheblicher Bedarf besteht, sieht man für die Zukunft ein wichtiges Betätigungsfeld. Es darf nicht vergessen werden, daß Raum- und Bauakustik, Schall- und Schwingungsmeßtechnik Probleme darstellen, die eng mit dem Musikinstrumentenbau und dem Spielen von Musikinstrumenten verbunden sind. So kraxeln die Wissenschaftler des IfM schon mal in der Lüftungsanlage einer Berliner Passage herum, um die Stärke der von der Anlage ausgehenden Schwingungen festzustellen, oder besteigen den Schornstein eines Heizwerkes, damit der emittierte Schall direkt an der Schornsteinmündung erfasst werden kann.

Gestützt auf die Erfahrungen im Rahmen des Projektes "Erkennung und Auswahl von einheimischem Resonanzholz durch Anwendung eines zerstörungsfreien Verfahrens zur Beurteilung der Holzstruktur" kann das IfM zusätzlich verschiedene Dienstleistungen, z.B. Gutachten zum Zustand von Holz, auch im verbauten Zustand, anbieten. Das fachlich anerkannte Verfahren der Holzstrukturanalyse mit Hilfe der Bohrnadeltechnik stellt in Verbindung mit weiteren visuellen als auch meßtechnischen Einschätzungskriterien eine gesicherte Grundlage zur Prognose der Standsicherheit von Bäumen als auch der Festigkeitsbeurteilung von Holz im Zusammenhang mit der Baustatik dar. Darüber hinaus stellt die Bohrnadeltechnik als z.Z. einziges anwendungsbereites Verfahren, ein Prognoseinstrument zur Jahrringanalyse am stehenden Stamm von Nadelholz, beispielsweise für den Musikinstrumentenbau, dar.

1999 betraute das Bundesministerium für Wirtschaft das IfM mit der Abwicklung des Deutschen Musikinstrumentenpreises (DMIP). Das IfM übernimmt hier die Aufgaben der Prüf- und Geschäftsstelle. Das gleich im ersten Tätigkeitsjahr wieder einmal eine vogtländische Firma das Rennen machte, ist jedoch einzig und allein der Meisterschaft des Preisträgers des DMIP 2000 in der Instrumentengruppe Holzblasinstrumente, der Firma Rolf Meinel zu verdanken.

Aufgrund der Vielzahl der Arbeiten des IfM in den vergangenen fünf Jahrzehnten kann diese kurze Darstellung der Geschichte keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Beispielweise wurden die Forschungen für den Klavierbau nicht beleuchtet. Es soll eine Auswahl sein, die sich insbesondere an der Bedeutung für die Firmen der Region orientierte.

 

 

Zwota, den 25.02.2000

zur Geschichte des IfM